Tagebuch "Nachhilfestunden in Heimweh", 1972

Tagebuch “Nachhilfestunden in Heimweh”, 1972, 5

Tagebuch "Nachhilfestunden in Heimweh", 1972

Tagebuch “Nachhilfestunden in Heimweh”, 7.-8. Kapitel, begonnen in Tokio, 9.2.1972

Ich hatte ziemlich teilnahmlos am Tisch gesessen und mich mit dem Essen beschäftigt

Wie das so in letzter Zeit meine Art geworden war. Die Leute wussten schon, dass ich kein amüsanter Gesellschafter war und liessen mich meist in Ruhe

Sicher hatte ich schon den Ruf langweilig und arrogant zu sein, weil ich keine Geschichten zu erzählen wusste, einwillig antwortete und lediglich mit übertriebener Höflichkeit meine Langeweile zu kaschieren suchte. „Kontactarmut“ nennt man das wohl heute. Und “frustriert“. Besonders an Abenden in denen Simone Mittelpunkt war und strahlte trug ich meine Teilnahmslosigkeit unmaskiert zur Schau. Wie ein dummer Schuljunge wollte ich ihr zeigen, wie sehr mich das Alles anödete

Dabei stimmte es garnicht. Ich fand nur keine Brücke und traute mich nicht zu den Andern hinüberzuspringen. Ich […]

Tagebuch "Nachhilfestunden in Heimweh", 1972

Tagebuch “Nachhilfestunden in Heimweh”, 7.-8. Kapitel, begonnen in Tokio, 9.2.1972

[…] misstraue allen, unterstellte ihnen unehrliche Absichten nenne sie, hypokritische Conversationstiger und schaue mit dabei selbst zu und denke wie gern ich mit ihnen sein, ihnen imponieren und um meiner selbst willen bewundert sein möchte. Der berühmte Filmschauspieler, der seine Karriere verpatzt hat mit seiner amüsanten Frau, denken die Leute. Er ist ja totlangweilig aber ihretwegen lohnt es sich, das Paar einzuladen

Im Grunde kann man das wohl alles auf einen einfachen Nenner bringen: gekränkte Eitelkeit eines Mannes der seine Armseligkeit & Mittelmäßigkeit erkannt hat und mit ihr nicht zu leben instande ist.

Ich versuchte meiner Übelkeit mit Rotwein abzuhelfen[.] Schüttete ein paar Gläser hinunter, während meine Tischgenossen nunmehr v[ö]llig ungezwungen italienisch quasselten, (das ich sowieso nicht verstehe.)

Gerade als Simone wieder laut auflachte konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich stürzte hinaus, fand die Toilette  nicht, rannte, den Mund schon voll, zur Haustür raus und übergab mich in ein R[h]ododendron Gebüsch. Als ich endlich Luft holen konnte, sah ich dass ein paar Chauffeure und der ma[r]rokanische Wagenmeister mich grüssend beobachteten.

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