Tagebuch « Nachhilfestunden in Heimweh », 7.-8. Kapitel, begonnen in Tokio, 9.2.1972
[…] Sie liebte mich noch immer, auf ihre Weise
Aber das Leben drängte auf sie ein. Die panische Angst, mit der sie seit zwei Jahren ihr Leben vorbeiziehen sah. Ohne Kinder, mit fünf Häusern, aber ohne Heim. Und Nächten mit quälendem, dumpfen Schlaf
Mit burschikoser Herzlichkeit ein Gutenachtwort “Dors bien, ma petite“. Noch ein paar belanglose Worte im Dunkeln, mit denen wir uns gegenseitig über die Leere, über das Unausgesprochene hinwegschwindelten. Dann Stille, in der man den Andern belauscht. Lire la suite
Tagebuch « Nachhilfestunden in Heimweh », 7.-8. Kapitel, begonnen in Tokio, 9.2.1972
Ich gehe eigentlich nur hinauf auf mein Zimmer um Bewegung zu machen. Immer action vortäuschend am meisten mir selbst. Ich ordne ein paar Papiere, räume angebrochenene Tabakschachteln aus den Taschen in den Koffer. Ich bin schon schon jetzt, am Anfang meiner Reise, nicht sicher, ob ich ihn zukriege
Ich habe einfach keine Übung im Kofferpacken Lire la suite
Curd Jürgens über Romy Schneider in den 1950er Jahren
Ich stelle vor: “Preminger – Magda Schneider.“
“Und ich weiß nicht, ob Sie von Romy Schneider gehört haben, Magdas Tochter. Sie ist im Moment in Deutschland ein unerhört erfolgreiches Mädchen. Sie ist unsere ‘Wunder-Sissy’.“
Da zupft mich Otto Preminger am Arm und zieht mich auf die Terrasse hinaus. Und sagt: „Spricht dieses zauberhafte Mädchen denn englisch oder französisch? Ich drehe in zwei Monaten hier an der Côte d’Azur der Sagans Erfolgsbuch ‘Bonjour Tristesse’. Eigentlich bin ich nur hier, um mir Ihr Haus anzuschauen, ob ich hier filmen könnte.“ Lire la suite
https://curdjuergens.deutsches-filminstitut.de/medien/2015/11/1_7_Romy_Schneider_Typoskript_50er_001.jpg1400999Isabelle Bastianhttps://curdjuergens.deutsches-filminstitut.de/medien/2015/09/cj-logo-h156.pngIsabelle Bastian2015-11-14 01:06:072015-11-14 01:10:28Curd Jürgens über Romy Schneider in den 1950er Jahren
Tagebuchähnliche Aufzeichnungen über Kriegserlebnisse in Thüringen, Anfang 1940er Jahre
Ich wäre so glücklich bei meiner Wanderung durch Täler, Auen Schluchten und Wälder Thüringens, aber soviel hemmt meine Freude. Den Bauern und Einheimischen bietet scheinbar mein Anblick Stoff zu lauten Beurteilungen, lustigen Kritiken und hämischen feindseligen Glossen. Diese aber machen mich unsicher, flössen mir ein unangenehmes Gefühl von Fremdheit ein, das etwa einen Gast befällt, dem der Wirt die Sperrung des Lokals in Aussicht stellt.
Zum zweiten ist es die Unsicherheit der Verhältnisse ganz allgemein. Polizisten kommen fragen nach Papieren u. Reiseziel und sind eigentlich recht enttäuscht dass man frei herumläuft. Und kein Deserteur ist. Dabei fällt mir der Dialog einer Gruppe vorübergehender französischer Arbeiter ein, als ich mich mit Rucksack und Gummimantel unter einem Baum verkroch: Regardes-celui là, il l’air d’un parachutiste, hein. – worauf der zurück, nach einem prüfenden Blick auf mein trotz Kürzung noch immer langes Haar resümmierte: Plutôt d’un artiste fasc[h]iste“ Lire la suite
https://curdjuergens.deutsches-filminstitut.de/medien/2015/11/7_3_Tagebuchaufz_Kriegserlebnisse_40er_001.jpg1400996Isabelle Bastianhttps://curdjuergens.deutsches-filminstitut.de/medien/2015/09/cj-logo-h156.pngIsabelle Bastian2015-11-14 00:07:252015-11-14 00:34:28Tagebuchähnliche Aufzeichnungen über Kriegserlebnisse, Anfang 1940er Jahre
Der Geburtstag des A[lten] Herrn: Samstag, den 9. Oct.
heute ist 1971
Wenn ich mich jetzt hingesetzt habe und zu schreiben beginne, so geschieht es nur, weil ich nichts aber absolut garnichts anderes zu tun habe. Vielleicht vergeht mir beim Schreiben die Zeit schneller bis irgend etwas geschieht Denn geschehn wird etwas. Nur bin ich noch nicht sicher ob ich die Initiative ergreifen werde, oder irgend jemand anders. Oder ob die Dinge in’s Rollen kommen werden, wie man so schön sagt, wenn man anonym bleiben will. oder muss.
Paris ist still am Samstagnachmittag Es sind die Stunden, wo die Fremden – zuviel französische Küche im Magen – widerkäuend vom Louvre zum Arc de Triomphe schlendern, die Concierge’s vor ihren Fernsehapparaten das Fussballspiel der Woche verfolgen, und die wenigen Pariser, die nicht auf dem Land dem Do-it-yourself frönen, Siesta halten.
https://curdjuergens.deutsches-filminstitut.de/medien/2015/11/7_3_Tagebuch_1971-72_001.jpg14002121Isabelle Bastianhttps://curdjuergens.deutsches-filminstitut.de/medien/2015/09/cj-logo-h156.pngIsabelle Bastian2015-11-13 23:48:292015-11-13 23:51:32Tagebucheintrag vom 9.10.1971
Tagebucheintrag, 28.4.1970: Trennungsphase von Simone
Es ist Sonntag, der 28. April. Gestern gegen ¾ 7h kam Simone. Ein leises Klopfen an die Tür 613 und da stand sie. Wie um dies andere Leben zu dokumentieren hatte sie den « Leoparde de Somali » 25.000 $ Dollar Mantel an und wie bei all den früheren Anlässen einen kurzen Schafspelzüberhang – der – schmutzig grau – in ein Leben passen sollte das von meinem weit entfernt zu sein schien. Schon während der Begrüssung brachen wir beide in Tränen aus und bevor ich noch fähig war ein Wort zu sagen wehrte sie ab: « Still keine Fragen, bitte » Wir sassen ohne viele Worte nebeneinander auf dem Kanapée
Sie war weich und garnicht streng. Nach einer Weile sagte ich [« ]Ich geh auch zu Fuss mit Dir nach Kathmandu, wenn Du willst. Dort ist Ruhe & Stille und wir können zum Himmel hinauf marschieren »
« Machen wir keine Pläne », meint sie. Die Stunden wackeln träge an uns vorbei, wie überalterte Zahlkellner eines Caféhauses, die immer auf der Suche nach jemandem sind, bei dem sie kassieren können
Der Nachmittag und der Abend vergeht mit Herumsitzen im Patio der „Auberge Royale des Temples d’Angkor Wat“. Schauspieler, Assistenten, Executives sitzen herum, spielen Urlaub und können sich im Grunde nicht ausstehen. Noch ist die erste Phase der Zusammenlebens einer Filmequippe nicht durchlaufen.
Die Mitglieder haben noch keinen Wert, erst keine Gelegenheit, noch zuviel Unsicherheit, um ihren peinlichen Eitelkeiten freien Lauf zu lassen. Sie halten die Zügel zusammen, beobachten sich gegenseitig und suchen alle und Alles herunterzumachen, um sich selbst Mut zu machen. Die nächste Phase ist gewöhnlich Anbiederung, Freundschaft […]
[…] für’s Leben, der dann als 3. Phase Besoffenheit, Excess, Feindschaft, Wut, Resignation und Hoffnung auf’s Heimkommen folgt. Der Ablauf ist fast immer der Gleiche: Eine gelungene Szene eines Schauspielers lässt den Kreis, den er um sich gebildet hat, in he[k]tischer Euphorie Excesse treiben, die zu gnädiger Freundschaft mit dem Kreis führen, der gerade dabei ist sich herablassend zu äussern, weil er sich nicht im Zentrum fühlt: Dies führt zu einer Pseudo-Verbrüderung, die aber nur solange dauert, bis der neue in den Mittelpunkt rückt, sei es durch eine gute […]
[…] Szene, die gelobt wurde.
[x Einschub linke Seite:] Meist sind die Szenen, die einen Schauspieler erfreuen, die schlechten. Da er sich ewig selbst beurteilt, liebt er sich in Szenen, die ihm im Grunde nicht liegen. Wird er gelobt, ist er sofort glücklich und merkt zwar mit seinem Radar, dass es nur geschah um ihn zu „lockern“ oder anzuspornen, vergisst es aber schnell, weil sein Selbsterhaltungstrieb es ihm gebietet. So glaubt er sich erfolgreich – (gegen sein besseres Wissen)
[Fortsetzung rechte Seite:] , sei es durch eine gute Idee die privaten Abende zu verbessern. Z.B. er findet ein neues Restaurant, ein neues Bordell, er kommt plötzlich mit einer eingeborenen Freundin, er hat Schwarzhändler an der Hand, oder er hat wirklich die Sehenswürdigkeiten gesehen! Kommt so ein Anzeichen von Originalität zum Bewusstsein der Übrigen, sofort rückt er in den Mittelpunkt – „Der X hat übrigens auch gefunden, das Fon-Kuk [vermutlich « Gom Guk »] im Hôtel de Paris ist besser“ – Größerer Glanz kann kaum auf ihn fallen. Nach einer Weile löst sich die Spannung zwischen […]
[…] zufällig entstandenen Gruppen in allgemeines – im Grunde gelangweiltes – „wir müssen zusammenhalten“ auf. Und das ist meist die Phase, wo dann wirklich was passiert. D.h. der eine dem anderen die Frau wegnimmt, der dritte die Dinge lässt wie sie sind, und sich auf vergessene romantische Ideale besinnt und entweder zu arbeiten beginnt, oder wirklich Land & Leute kennenzulernen sucht oder resigniert. Die dritte Phase wird fast immer durch einen Krach eingeleitet. Manchmal ist die Krach-Rowdiestimmung von den Technikern ausgegangen. Sie haben „Union-Meetings“ einberufen, und diese […]
Stimmung wird von einem der „Chefs“ benutzt, sich in Szene zu setzen. Ein Star wird ungeduldig, fühlt sich zurückgesetzt die Nachrichten sind schlecht oder bleiben aus, Eifersucht auf Telegrammen wird man mit – „ich scheisse auf den Beruf sieh nur wie betulich die Leute hier leben“- beantwortet. Bis dann schliesslich jeder heilsfroh ist, abzureisen
– Soweit sind wir noch nicht. Wir sind ganz am Anfang.
Diesmal ist die erste Klasse voll, doch neben uns sitzt – sehr zu meiner Freude, John Huston. Aber Paris ist zu. Nach einstündiger Umkreisung dirigiert man uns nach Tours. Der erste von den 4 Tagen, die ich Urlaub habe, scheint im Arsch zu sein. Kurz entschlossen mieten wir uns ein Auto – fahren in die Stadt um ein touränisches Mittagsmahl zu halten (Huston trinkt Bier und Quetsch) und dann fährt uns der schlechteste Chauffeur Frankreichs durch Londoner Nebel in Stunden nach Paris. Huston erzählt vom Bibel-Film, dass er Picasso für die Canvas-decorationen, Stravinsky für das Musik-Score, die Callas für die Salome und völlige Freiheit hat, zu tun was er will. Er hat Pfeife rauchen begonnen – wir alle stehen unter dem Druck des Kennedy-medical-reports – lung-cancer and cigarettes – und bemühen uns das Zigarettenrauchen aufzugeben. Aber Huston meint es passe nicht zu uns, er komme sich vor wie mit Pantoffeln.
Wiedersehen mit Tilla Durieux. Sie ist 84! Kommt es mir so vor, oder hat sie mongolische Gesichtszüge wie Madame Nam? « Wir können unseren Beruf nicht aufgeben, ebensowenig wie ein Dieb aufhören kann zu stehlen » sagt sie mir, als ich von meiner Idee des Pausierens zu sprechen anfange. « Sagen wir, ebensowenig wie jeder Besessene nicht aufhören kann. Sei er ein Forscher, ein Abenteurer, ein Jäger, oder ein Dieb » – « Nein », sagt sie, und stampft mit dem Stock auf, « eben nur wie ein Dieb nicht aufhören kann zu stehlen, ein Betrüger nicht aufhören kann zu betrügen, so können wir nicht aufhören zu spielen. » – Sie lacht mich aus, blitzt mich mit grünen, schrägen Augen voll Hohn an: « Lassen Sie mich’s wissen, wenn Sie es schaffen sollten, den Beruf an den Nagel zu hängen. »