Hermann Basler (Ex-Schwager) an Curd Jürgens. Leutkirch, 30.3.1946
Hermann Basler
Leutkirch, den 30.3.1946
Herrn
Kurt Jürgens
Straubing/ Stadttheater
München, Holbeinstrasse 2 bei Pöll
Lieber Kurt!
Während meiner Anwesenheit in München habe ich Dich leider nicht sprechen können. Ich benutze daher den schriftlichen Weg zur Klärung verschiedener Fragen
1. Betrifft: Aufführung “ Das Kind muss her “. Wie ich von Lulu höre, hast du Dich schriftlich über diesen Fall geäussert, ich wäre Dir aber dankbar gewesen, wenn Du Dir 5 Minuten Zeit genommen hättest, um auch mir dies schriftlich mitzuteilen. Ich weiss, dass ich weder ein Goethe, noch ein Kurt Götz bin. Ich habe auch nicht die Autoren-Ambitionen, die vielleicht üblich sind. Wesentlich wäre für mich gewesen, falls Dir das Stück innerlich zugesagt hätte, dass es mit einer gewissen Lust am Werk zur Aufführung kommt. Aus Deinen Äusserungen muss ich annehmen, dass das Gegenteil der Fall ist. Aus diesen Gründen verzichte ich ausdrücklich auf die Aufführung und bitte, sie nicht durchzuführen. Ganz abgesehen davon muss ich fürchten, dass ersten[s] bei Deiner notorischen Überlastung und zweitens bei den augenblicklichen sonstigen Bühnenverhältnissen die Erstaufführung sowieso nur hingerotzt würde. Für ein an sich schwaches Stück ist dies ein unmöglicher Zustand. Also bitte gib mir die Manuskripte zurück, falls Kosten entstanden sind, bitte ich um Angabe. Damit wollen wir dieses Thema begraben.
2. Dass der sogenannte Ehezustand zwischen Dir und meiner Schwester schon lange eine Farce ist, wei[ß]t Du am besten selbst. Ehrlicherweise müssen nunmehr die Konsequenzen gezogen werden. Das kann in aller Freundschaft und ohne Mohrenwäsche geschehen; denn schliesslich ist es kein Zustand, dass in der ganzen Münchener Öffentlichkeit die gute Judith als Deine Frau bekannt ist, wobei Du Dir selbst keinerlei Hemmungen auferlegst, um wenigstens die äusserlichen Formen einzuhalten. Ich habe es sogar als eine Geschmacklosigkeit empfunden, dass Du am Stammtisch im Spaten Judith mit Umarmung und Kuss wie ein junges Lebespaar begrüsst hast. Dies nur nebenbei. Ich freue mich ausserordentlich, dass Du zum ersten Mal in Deinem Leben auf eigenen Beinen stehst und richtig arbeitest, und anscheinend dabei auch finanziell ganz gut gefahren bist. Vergessen hast Du aber dabei, dass Du nach wie vor zumindest juristisch verheiratet bist, und dass Du nach wie vor zum Unterhalt Deiner Ehefrau Verpflichtungen hast. Wenn Du Dich in früheren Jahren Berliner und Wiener Vergangenheit Dich mehr oder minder auf meinen Geldbeutel verlassen konntest, so konnte man das damit entschul- […]
Hermann Basler (Ex-Schwager) an Curd Jürgens. Leutkirch, 30.3.1946
[…] digen, dass Du und meine Schwester unisono weit über die Verhältnisse gelebt haben etc., etc. Dass dabei ein ganzes Vermögen an Mobilar in Wien vor die Hunde gehen musste, will ich dabei vergessen. Aber, ich lege Wert darauf, dass zumindest der Rest, der von mir zur Verfügung gestellten, oder der von mir gekauften Dinge in meinen Besitz zurückgeführt werden. Auch meine Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft hat eine gewisse Grenze und ich hoffe, dass ich diesbezüglich mit Dir eine ernste Auseinandersetzung vermeiden kann. Um konkret zu sein, gehört zu dieser Sache die Angelegenheit Silberkasten. Der Silberkasten wurde nachweislich zu Boos nach Wö[l]lstein verbracht. Entgegen Deiner zu Lulu geäusserten absolut irrtümlichen Feststellung und der Originalquittung und Ausweis der Familie Boos in Wö[l]lstein, hast Du diesen Silberkasten in Wö[l]lstein in Empfang genommen. Ich bitte um Aufklärung, was mit dem Silberkasten geschehen ist, und um Rückgabe desselben bezw. Ablieferung in meiner Münchener Wohnung, Wiedemaierstr. 49. Mehr möchte ich vorläufig zu diesem Falle nicht sagen. Ich erwarte Aufklärung bis spätestens zu meinem Eintreffen in München, am 8.4. Ich hoffe nicht zu hören, dass der Silberkasten inzwischen gestohlen worden ist.
3. Da Du ja im letzten Jahr genügend Einkünfte gehabt hast, zumindest soviel, dass Du eine zweite Frau leisten konntest, erwarte ich, dass Du zumindestens für das vergangene Jahr an Deine legitime Frau den standesgemässen Unterhalt vergütest. Über die vorangegangene Zeit will ich dann nicht diskutieren. Was Du als standesgemäss und richtig findest, überlasse ich vorerst Deinem Ermessen. Bis zur vollzogenen Scheidung erwarte ich gleichfalls entsprechend hohe monatliche Zahlungen. Was darüber hinaus nach der Scheidung zu erfolgen hat, wird ja durch die Gerichte, resp. Rechtsanwälte festgelegt werden. Die laufenden oder späteren Zahlungen werden m.E. Dich kaum belasten, da sie steuerlich in Deine Unkosten eingebaut werden können. Darüber will ich Dich gerne beraten.
Damit wir uns richtig verstehen, dieser Brief ist keine Kriegserklärung, aber andererseits finde ich mein Geld auch nicht auf der Strasse und schliesslich hast Du meine Schwester geheiratet und nicht mich. Ich hoffe, dass sich alle diese Angelegenheiten in freundschaftlichster Weise mit Dir regeln lassen und da andererseits aufgrund Deiner Tatkraft und Begabung heute das finanzielle Moment vorhanden ist, hoffe ich, dass die Bereinigung glatt von statten geht, eine Bereinigung, die ja auch für Dich als Mensch eine Rehabilitierung bedeuten kann. Ich glaube, dass Du daran vor Dir selbst ein grosses Interesse hast.
In diesem Sinne begrüsse ich Dich wie immer
Hermann