Curd Jürgens in den 1960er/70er Jahren
Von Rudolf Worschech
Das Medienphänomen
Es gibt ein berühmtes Foto von Curd Jürgens aus dem Jahr 1971, das ihn mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt im Garten des Bonner Kanzleramts zeigt. Links neben Brandt steht, sichtlich unsicher, Romy Schneider, rechts Simone Jürgens und dann Curd. Die beiden Herren, ungefähr gleich alt – Jürgens ist 1915 geboren, Brandt 1912 – wahren Abstand, Jürgens scheint zu plaudern, Brandt hört zu. Der Staatsmann und der Künstler – auf den ersten Blick kann man sie nicht unterscheiden.
Künstler? Curd Jürgens war zu diesem Zeitpunkt eher eine Institution des öffentlichen Lebens. Eine Person, an der die Gesellschaft und die Zeitschriften intensiven Anteil nahmen, an seinen Frauen – Simone war die vierte –, an seinen körperlichen Beschwerden – seit 1967 litt er an einem Herzleiden –, an seinen Anwesen in Frankreich, Österreich, der Schweiz und auf den Bahamas, an seinem Fuhrpark, den ein Rolls-Royce und ein Bentley krönten. Die Illustrierte stern hatte, zu Jürgens’ 55. Geburtstag am 13.12.1970 mit einem mehrteiligen Lebensbericht des Schauspielers begonnen und getitelt: „Ich, Curd Jürgens“. Film kam da eher am Rande vor.
Jürgens war ein Ereignis, ein Medienphänomen. So wie er schon allein mit seiner Physis, 1,92 Meter groß und mit wachsendem Leibesumfang, die Leinwand beherrschte, so füllte er die Klatschspalten. In den 1970er Jahren, als Fliegen noch teuer war, nannte man seine Lebensweise Jetset, und Jürgens beteuerte mehr als einmal, dass er so manche Rolle nur angenommen habe, weil viel Geld damit zu verdienen war. In den ganzen St. Pauli-Filmen der späten 1960er und frühen 70er Jahre beispielsweise, begonnen mit DER ARZT VON ST. PAULI (The Doctor of St. Pauli / Le médecin de Hambourg, 1968, R: Rolf Olsen), die er für „echte Volksstücke“ hielt, spielte er mit, weil er glaubte, dass sie Kasse machten und die ausländischen Produzenten deren Einspielergebnisse studierten. Überhaupt gibt es in seinen späten Filmen wenig Lichtblicke, die berühmte Wendung Robert Mitchums vom „No Acting Required“ trifft auf die meisten zu. Curd Jürgens war eben Curd Jürgens in diesen Filmen, und oftmals hat seine Mitwirkung den Charakter eines Cameo-Auftritts. In BATTLE OF BRITAIN (Luftschlacht um England / La bataille d’Angleterre, R: Guy Hamilton) aus dem Jahr 1969, einer Mega-Produktion für die damalige Zeit, ist er ein Botschafter des Nazi-Reichs, der in der Schweiz einen Sonderfrieden mit England sondiert. Obwohl er in den Credits an dritter Stelle steht, liegt seine Leinwandpräsenz unter drei Minuten, und sie langt auch nicht zu tiefer gehenden Sätzen als: „Wir können in England einmarschieren, wann wir wollen.“