Persönliche Aufzeichnungen „Weg zu Gott“, 8.2.1941
Weg zu Gott
Manchmal, wenn die Sterne scheinen
und Tränen über den dunklen Himmel weinen
höre ich, wie von gestopften Posaunen
Engelstimmen über die Welt hinraunen
Dieser Gesang gibt mir die Kraft
den Weg zu gehen, der mein Leben aus macht
u. aller Trauer zu höhnen:
Die Musik von diesen paar Tönen.
Es ist der Gesang von der fernen Liebe,
die umherläuft und an jedermann’s Türe klopft
Und wie mit einem grossen Siebe
die Unwürdigen durchlässt in den lichtlosen Topf
die Würdigen aber bleiben als Stern stehen
Und an die denk ich, wenn nachts nach ½ 10
Meine Augen zum dunklen Himmel sehen.
Persönliche Aufzeichnungen „Manchmal sitz‘ ich unter Menschen“, 8.2.1941
Manchmal sitz ich unter Menschen u. weiss nicht warum. Denn ich denke, dass Menschen nicht dazu erschaffen sein können um zu lügen. Aber sie lügen. Alle. Meist schlecht und wissen eigentlich garnicht warum. Aber – alle.
Da kommt mir der Gedanke, was wir Menschen täten, wenn z. Beispiel die Linde, die so schön vor meinem Fenster steht und ihre Äste wie abwehrend vor die Geheimnisse hält, die sich hinter meinen allzu durchsichtigen Schichten (?) verbergen ach, – auch meine Geheimnisse sind alle voller Lügen – , wenn nun diese Linde, sag ich, plötzlich auf die Idee käme uns nachzueifern. Mitten im schönsten Winter würde sie anfangen ihre Blüten aus dem Schnee zu stecken nur so zum Spass, denn warum lügt man denn?
Und wenn dann die Menschen kämen! Und sagten “Seht doch die dumme Linde, die hat sich ja in der Jahres Zeit geirrt“ – und “Die Linde da, die hat’s aber eilig – mitten im Winter“ Am nächsten Tag aber hätte die Linde all die Knospen wieder versteckt. Ja, dann wären die Menschen erst recht aus dem Häuschen. “Die will uns wohl foppen“ Ich glaube gar das Amt für Verschönerung der Grossstädte würde einen Ministerialrat entsenden u. wer weiss ob man sie nicht zur Untersuchung erst mal abholzen würde. Die Untersuchung aber, die von scharfsinnigen Baumpsychologen geführt würde, ergäbe, dass die arme Linde ihren Tod selbst verschuldet hätte, denn sie wollte uns ja nur mal anlügen.
Persönliche Aufzeichnungen über das Schreiben, 1940er Jahre
Sicher ist es wichtig, täglich ein paar Worte im Freien niederzuschreiben. Die Worte, kaum gefunden, verflüchtigen sich, laufen dem Surren der Gräser, dem Zirpen der Grillen, ja dem Klingeln der Sensen nach u. kehren wieder zu Dir zurück, klar und gläsern, als wären sie durch ein Bad geschwommen, sitzen nackt und frierend um Dich herum und nun deckst Du sie zu mit der Hülle Deines Atems: Da gibt es keinen falschen Ton in Deinen Sätzen, denn viele sind, die nicht mehr die Kraft haben sich an Deinem Atem zu wärmen; die sterben dann, wie Blumen in schlechten Töpfen. So ist das Maass [= Maß] aller Dinge am besten zu messen am Wind und dem Geruch der Erde.