Erinnerungen von Gunter Fette
Schauspieler gelten bei Anwälten und Steuerberatern im Allgemeinen als schwierige Klienten. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, also Künstler, die trotz ihrer täglich gelebten künstlerischen Fantasie zu den Niederungen des Alltagslebens mit seinen Steuererklärungen, rechtlichen Auseinandersetzungen, Versicherungsfragen, dem „Kleingedruckten“ in Verträgen und sonstigen Lästigkeiten ein sehr pragmatisches Verhältnis haben. Zu ihnen gehörte Curd Jürgens.
In den letzten zehn Jahren seines Lebens, in denen ich als Anwalt für ihn tätig war, überraschte er mich bei der Auseinandersetzung mit rechtlichen und steuerlichen Problemen immer wieder mit seiner kühlen Sachlichkeit und Objektivität, seiner nüchternen Einsicht und Akzeptanz zwar unerfreulicher, aber unvermeidlicher Konsequenzen, mit seinem absoluten Vertrauen. Niemals kam er mit besserwisserischen Ideen, obwohl er sicher oft genug von Leuten umgeben war, die alles und jedes besser wussten und sich ihm mit ihren – vorgeblich – besseren Ideen und Einfällen als Berater andienten. Er durchschaute derartiges Imponiergehabe und „Schautanzen“ sehr schnell und fiel wohl nie darauf herein. Ein besonders schön formuliertes Urteil von Curd Jürgens über solche Art von Beratern, die offenbar seine klare und nüchterne Durchsicht unterschätzten, kann ich aus einem Brief an mich zitieren: „Das Büro… (der Name sei gnädigerweise verschwiegen) ist übereifrig und überhäuft gern seine Klienten mit drohenden Steuerwolken, nur um sich dann in der Sonne nach dem verzogenen Gewitter bestaunen zu lassen.“
Und noch eine Reaktion von Curd Jürgens war kennzeichnend für seine pragmatische Haltung und seine Art, alles nicht so wichtig zu nehmen, vor allem auch sich selbst nicht. Als ich mich einmal intensiv bemühte, einen Sachverhalt ganz genau aufzuklären und versuchte, durch die Einholung aller möglichen Auskünfte noch etwas herauszufinden, um eine etwas verfahrene Geschichte vielleicht doch noch günstiger gestalten zu können, schrieb er mir lapidar: „Die Ausführlichkeit Ihres Schreibens ist rührend gedacht, meiner Ansicht nach aber unnötig. Wer viel fragt, kriegt viel Antwort, und wer viel Antwort kriegt, bekommt oft viel Ärger!“
Im persönlichen Umgang entsprach Curd Jürgens auch überhaupt nicht dem Bild des großen „Stars“, wie es von der Presse dem Publikum präsentiert wurde. Sicher genoss er durchaus den gloriosen Lebensstil und Ruhm. Aber er gab sich trotzdem immer viel weniger als „Star“, als viele seiner nicht annähernd so berühmten und begabten Berufskollegen. Ich habe ihn nie anders erlebt als jemanden mit ausgesuchter Höflichkeit und Herzlichkeit, Zurückhaltung und – ja, tatsächlich – Bescheidenheit in den Ansprüchen an seine Umgebung. Jeder Auftrag, etwas für ihn zu erledigen, war eine höfliche Bitte, und wenn er mich in einer dringenden Sache mal am Wochenende brauchte oder spät abends zu Hause anrief, so entschuldigte er sich jeweils vielmals dafür. Er hatte etwas ganz bestimmt nicht, was ihm von Leuten, die ihn nicht kannten, sicher unterstellt wurde: er hatte keine Starallüren! Im Gegenteil, es machte ihm Spaß, sich selbst auf den Arm zu nehmen, und er genoss es, wenn Menschen aus vermeintlich gebotenem Respekt vor dem großen Weltstar sich nicht trauten, ihm etwas Unangenehmes zu sagen oder gar Vorhaltungen zu machen, wenn ihm etwas mal nicht gelungen war. Curd Jürgens entkrampfte solche Situationen immer mit seiner entwaffnenden Offenheit und Direktheit.