• Anfänge am Theater

    Von Julia Danielczyk

Seine Theaterlaufbahn begann Curd Jürgens als singender Bonvivant in „Ball der Nationen“ im Central-Theater Dresden, der Dependance des Berliner Metropol-Theaters. In Berlin war er an der Komödie und am Theater am Kurfürstendamm in sogenannten Konversationsstücken zu sehen. Auf Anraten seiner Kollegin Lizzi Waldmüller bewarb sich Curd Jürgens 1937 bei Direktor Rolf Jahn am – wie es damals hieß – Deutschen Volkstheater in Wien, ein Vertrag kam allerdings vorerst nicht zustande.

Erst im März 1938, unmittelbar nach der Machtübernahme Österreichs durch die Nationalsozialisten, bot Jahn dem Schauspieler aus Berlin einen Gastvertrag für das Lustspiel „Ein ganzer Kerl“ von Fritz Peter Buch an. Jürgens war zu diesem Zeitpunkt keineswegs ein Star, die Berliner Kritiker hatten in ihm zwar den gutaussehenden, ja den Prototyp des jungen Deutschen gesehen, sein schauspielerisches Vermögen wurde jedoch weniger besprochen, ihm war also kein Ruf vorausgeeilt, auch hatte sein Vorsprechen vorläufig nichts bewirkt.

Im Frühjahr 1938 dann aber, als eine neue politische Situation in Österreich herrschte, folgte prompt ein Engagement nach Wien. Jürgens sollte für den kurz zuvor in die USA emigrierten Hans Jaray einspringen. In einer Akte des Unterrichtsministeriums heißt es zur Lage des Deutschen Volkstheaters, Jürgens’ erster österreichischer Spielstätte: „Verträge mit nichtarischen Künstlern müßten jedoch aufgelöst werden, das Wiener Volkstheater sollte durch reichsdeutsche Kreise erworben werden.“[i]

  • Als Benvolio in „Romeo und Julia“

    "Romeo und Julia"
  • Mit Fred Liewehr in „Romeo und Julia“

    "Romeo und Julia"
  • Als Benvolio in „Romeo und Julia“

    "Romeo und Julia"

Mit der Ausstrahlung des „sonnenhellen, blonden, jugendlichen Draufgängers“ [ii] an der Seite von Gusti Huber, die wie Jürgens später als Filmschauspielerin reüssierte, nahm man den in Wien unbekannten Schauspieler mit Begeisterung auf. Mit kritischer Distanz meint Jürgens selbst viele Jahre später dazu:

„Ich werde gelobt – in erster Linie wohl, weil der neue blonde Deutsche äußerlich genau dem entspricht, was die Wiener in ihrer Begeisterung für den ,Anschluß‘ sehen – und hören – wollen.“[iii]

Und:

„Ich fühlte mich auch als Eindringling, da ich nach und nach zu der Überzeugung gekommen war, ohne Hitlers Einmarsch wäre ich nie hierher gekommen, wäre ich nie engagiert worden.“[iv]

Jürgens wurde als der „neue, junge Liebhaber, der an Albers erinnert“, als „richtiger Naturbursche“[v], als „sympathischer, junger Draufgänger“, als „schnittiger, eleganter Weltmann“[vi] und als „blonde und blauäugige Siegfriedgestalt“[vii] aufgenommen.

Dieses Image sollte vorerst bleiben; so spielte der Parade-Casanova anschließend in dem Lustspiel „Liebe ist zollfrei“, weitere leichte Komödien folgten.

Auf Vermittlung der Schauspielerin Käthe Dorsch engagierte der damalige Burgtheaterdirektor Lothar Müthel Jürgens ans „erste Haus“ im deutschsprachigen Raum. Betrachtet man aus heutiger Sicht die Besetzungspolitik Müthels, so ist eine klare „Fachbesetzung“ Jürgens’ als jugendlicher Held ersichtlich. In der Rolle des „farblosen“[viii] Benvolio in Shakespeares „Romeo und Julia“ (1940/41) eröffnete er seine Burgtheaterkarriere, in der er allerdings nicht mehr als „äußere Mittel“[ix] zeigen konnte.

  • Als Don Juan d’Austria in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Mit Käthe Dorsch in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Romeo und Julia"
  • Mit Käthe Dorsch in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Mit Käthe Dorsch in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Mit Käthe Dorsch in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Mit Käthe Dorsch in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Mit Käthe Dorsch in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Mit Lothar Müthel in „Madame Kegels Geheimnis“ (1941)

    "Madame Kegels Geheimnis"
  • Als Pylades in „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • Als Pylades in „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • Mit Liselotte Schreiner in „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • Mit Liselotte Schreiner in „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • Mit Liselotte Schreiner in „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • Mit Liselotte Schreiner in „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • „Iphigenie in Delphi“ (1942)

    "Iphigenie in Delphi"
  • Kostümentwurf für Curd Jürgens von André Bakst

    "Iphigenie in Delphi"

Als jugendlich-strahlender Stephan von Menzingen in Hauptmanns „Florian Geyer“, als siegfriedhafter Pylades „hell und heldisch“[x] in Hauptmanns „Iphigenie in Delphi“, als „heldenhafter, jugendfrischer Don Juan“[xi] in Zimmermanns „Madame Kegels Geheimnis“, als „sympathischer Aristokrat“[xii] in Gherardis „Die Söhne des Herrn Grafen“, als „ritterlicher Pfalzgraf Siegfried“[xiii] in Hebbels „Genoveva“ und auch als ebenso ritterlich-eleganter Graf Gherardo in Forzanos „Florentiner Brokat“ wurde er von Publikum und Kritik aufgenommen. Der Kritiker Otto F. Beer bringt das Bild, das man von ihm hatte, auf den Punkt: „Curd Jürgens ist ein wenig jungenhaft, die reife Überlegenheit der Ironie ist nicht seine Sache.“[xiv]

1945 verließ Jürgens das zerbombte Wien und gründete die „Münchner Gastspielbühne Curd Jürgens“, wo er auch sein eigenes Stück „Geliebter Michael“ inszenierte und bis Oktober 1946 die Intendanz des Stadttheaters Straubing übernahm.

  • „Geliebter Michael“ (1946) Plakat

    "Geliebter Michael"
  • „Geliebter Michael“ (1946), Skript von Curd Jürgens

Nach zweijähriger „Burgtheater-Absenz“ kehrte er wieder nach Wien zurück und spielte den Fernando in Goethes Stella. Mit dieser Figur hätte er Gelegenheit gehabt, in der Rolle des innerlich gespaltenen Protagonisten sein bisheriges Image als vor allem „außergewöhnlich gut aussehender Darsteller“[xv] abzulegen und schauspielerisches Handwerk zu beweisen, doch er „tendierte eher dem Tellheim.“[xvi]

Schon 1943 äußerte sich Jürgens zu den ihm angebotenen Rollen folgendermaßen:

„Jedenfalls halte ich gerade den Wechsel des Rollenfachs, das Hineinschlüpfen in grundverschiedene Charaktere (…) für das Erfreulichste an meinem Beruf.“[xvii]

Dass er sich bereits auf dem besten Weg dorthin befand, zeigt die Rezeption von Titania, wo es über Jürgens heißt: „Curd Jürgens macht erfolgreich einen Ausflug ins Gebiet des Charakterfaches: er erwirbt Konrad durch sachte angedeutete Weltfremdheit und Sympathie, ohne ihm die amüsanten Seiten zu nehmen“.[xviii]

Bis zum „Bruch“ 1948, als die Zusammenarbeit mit dem aus der Emigration zurückgekehrten Regisseur Berthold Viertel begann, galt Jürgens als der Darsteller mit dem „Strahlemann-Image“ – „Curd Jürgens (…) ist da überzeugend, wozu ihn das Schicksal bestimmte: ein schöner Mann.“[xix]

Auszug aus „Zur Theaterarbeit eines Filmstars oder Die Frage, was aus Curd Jürgens ohne Berthold Viertel geworden wäre“ von Julia Danielczyk. In: Hans-Peter Reichmann, (Hg.): Curd Jürgens. Frankfurt am Main 2000/2007 (Kinematograph Nr. 14)

Anmerkungen:

[i] Österreichisches Staatsarchiv, AVA, BmU, Gz 15, Geschäftszahl: 16921, 1937.

[ii] N.N.: Deutsches Volkstheater. Komödie ,Ein ganzer Kerl’. Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main, o.O., Mai 1938.

[iii] Curd Jürgens: … und kein bißchen weise. Locarno 1976, S. 179f.

[iv] Ebda., S.180.

[v] Herbert Mühlbauer: Ein ganzer Kerl. Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main, o.O., Mai 1938.

[vi] N.N.: Volkstheater-Premiere: Buch: ,Ein ganzer Kerl’. In: Neue Freie Presse, 5.5.1938.

[vii]Adelbert Muhr: Deutsches Volkstheater. ,Ein ganzer Kerl’ von Fritz Peter Buch. In: Neues Wiener Tagblatt, 5.5.1938.

[viii] Curd Jürgens: … und kein bißchen weise, a.a.O., S. 223.

[ix] Mirko Jelusich: ,Romeo und Julia’ in der Burg. Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main, o.O.u.J.

[x] Joseph Handl: Hauptmann-Erstaufführung des Burgtheater. Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main, o.O., März 1943.

[xi] Bruno Prohaska: Burgtheater: ,Madame Kegels Geheimnis’ von Joachim Zimmermann. Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main, o.O.u.J.

[xii]Zeno von Liebel: Ein Vater ,entdeckt’ seine Söhne. Italienische Komödie im Akademietheater. In: Wiener Mittag. Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main, o.O.u.J.

[xiii] Felix Fischer: ,Genoveva’ im Burgtheater. In: Wiener Mittag, 4.6.1942, Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main.

[xiv] Otto F. Beer: Theater, Romantik und Witz. ,Der Lügner und die Nonne’ im Akademietheater. In: Wiener Mittag, 19.6.1942, Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main.

[xv] N.N.: ,Stella’. Gastspiel des Wiener Burgtheaters. Zürcher Theaterwochen. In: Die Tat, 21.6.1947, Zeitungsausschnitt im Curd Jürgens-Nachlass, Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main.

[xvi] Herbert Mühlbauer: ,Stella’ im Akademietheater. In: Wiener Kurier, 23.5.1947.

[xvii] N.N.: Curd Jürgens spielt Operette. O.O., 1943, Zeitungsausschnitt, Österreichisches Theatermuseum.

[xviii] Zeno von Liebl: ,Titania’ im Akademietheater. In: Neues Wiener Tagblatt, 19.2.1944.

[xix] Rudolf Holzer: Die Frau des Potiphar. In: Die Presse, 9.8.1947.