Curd Jürgens – Der Nachlass. Die virtuelle Ausstellung

Curd Jürgens: Theater-, Film- und Fernsehschauspieler, Regisseur, Autor, Sänger – Lebemann und Weltstar. Er war nicht wie Marlene Dietrich, die, als wäre es möglich, die körperliche Vergänglichkeit zu verhindern und mit den Dingen zu überleben, akribisch alles von und über sich aufbewahrte. Im Gegensatz zu Romy Schneider besitzt Curd Jürgens keine aktive Fangemeinde, die jedwedes Erinnerungsstück sammelt und in wohlgehüteten Beständen konserviert. Der erhaltene Nachlass, der hier in einer virtuellen Ausstellung präsentiert wird, ist ein Fundus, dessen Zusammensetzung eher zufällig ist, und gerade das macht ihn so interessant. Die Fotos, Briefe und Skripte dienten Curd Jürgens der eigenen Erinnerung an private und berufliche Ereignisse. Auch wenn sich mehrere tausend Zeitungsausschnitte darin befinden, zielte die Sammlung nicht auf Vollständigkeit, dokumentiert sie nicht lückenlos sein Leben und seine Karriere. Was sie belegt sind die Dinge, die Curd Jürgens selbst für wichtig erachtete – seine Theaterarbeit, die eigenen realisierten und nicht realisierten Projekte und die Aufzeichnungen zu seiner Position als Künstler.

Welches Bild hat sich von Curd Jürgens (*13. Dezember 1915 in München, †18. Juni 1982 in Wien), der im Dezember 2015 100 Jahre alt geworden wäre, erhalten? Sicher gehört der von Brigitte Bardot geprägte, liebenswerte Ausdruck des armoire normande („normannischer Schrank“) dazu, der bis heute fälschlicherweise als „normannischer Kleiderschrank“ übersetzt und so auch immer wieder zitiert wird. Es ist die sonore, rauchige Whiskystimme und der Sprechgesang des Liedes „60 Jahre, und kein bißchen weise“. Es sind der Schauspieler, respektive die Rollen, die er verkörperte, an die wir uns erinnern. Im Kino waren das sein Harras [Des Teufels General, 1955, R: Helmut Käutner], sein Bruno Mechelke [Die Ratten,1955, R: Robert Siodmak], auch der Schinderhannes [Der Schinderhannes, 1958, R: Helmut Käutner] oder sein Werner von Basil [Die Schachnovelle, 1960, R: Gerd Oswald], vielleicht sein Mackie Messer [Die Dreigroschenoper, 1963, R: Wolfgang Staudte], viele seiner Offiziersrollen und nicht zuletzt: sein Stromberg [James Bond 007 – The Spy Who Loved Me, 1977, R: Lewis Gilbert]. Auf der Bühne sein „Richter in eigener Sache“, sein „Clarence Darrow“ und der „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen.

Und es ist der Star, der Weltstar, der es wie kaum ein anderer verstand, Privates und Berufliches zu verbinden und es gleichzeitig zu trennen vermochte. Über Jahrzehnte fokussierte sich das Interesse von Presse und Publikum auf sein Privatleben, das er mit Leidenschaft im Rampenlicht der Öffentlichkeit darbot. Sein Leitspruch „Es ist wichtiger, den Jahren mehr Leben zu geben, als dem Leben mehr Jahre“ erweckt bis heute Neugierde, ja Bewunderung. Zumindest über die Presseberichte und die dort veröffentlichten Fotos konnte die interessierte Leser(innen)schaft an diesem Leben teilhaben. Curd Jürgens befriedigte den Bedarf noch mit Hintergrundinformationen und intimen Details. In seinem autobiografischen Roman „… und kein bißchen weise“ finden sich nicht nur Anekdoten aus seinem Leben oder von Dreharbeiten; er spricht unverhüllt über die manchmal schwierigen Beziehungen zu seinen Freundinnen und Ehefrauen. Unter der Prämisse „Es ist mir egal, was die Presse über mich schreibt, Hauptsache, die schreiben meinen Namen richtig“ öffnete er bereitwillig seine Welt für Home Stories – Berichte aus dem Leben des Stars: ein repräsentativer Lebensstil, Wohnsitze an sonnigen Orten, fünf Ehen und zahlreiche Liebschaften, kleine Skandale, ein internationaler Jetset-Freundeskreis, einschlägige Automarken – Schlaglichter auf den öffentlichen Jürgens, einen Profi in Sachen (Eigen-)PR.

Doch gelang es ihm auch, Persönliches zu verbergen und das Scheinwerferlicht auf Nebensächliches zu lenken. Für diese oft reproduzierten Bilder, die eigenen wie die Übermittelten, finden sich im Nachlass reichlich Belege. Bekanntes bestätigt sich, weniger Bekanntes wird erschlossen, und bislang Unbekanntes stellt sich der Analyse. Die virtuelle Ausstellung bietet die Möglichkeit, den Menschen und Medienprofi Curd Jürgens digital und interaktiv, wieder und neu zu entdecken, den, den wir nicht aus den Berichten der „bunten Blätter“ kennen und den, der durch seine Theater-, Film- und Fernsehauftritte bekannt ist.

Die Präsentation im virtuellen Raum bietet die einzigartige Möglichkeit, Objekte aus dem Nachlass Curd Jürgens‘ zu jeder Zeit, an jedem Ort zu erleben und auf neue, interaktive und intensive Weise miteinander in Beziehung zu setzen. Filmausschnitte lassen sich mit Dokumenten zu ihrer Entstehung abgleichen, Werkfotos illustrieren dazu die Dreharbeiten. Bislang unveröffentlichte persönliche Tagebucheinträge und andere persönliche Schriften von Curd Jürgens’, in denen er sich kritisch mit der Arbeit eines Schauspielers auseinandersetzt, sind als Digitalisate, als Transkripte und von einem Schauspieler (Frank Muth) eingesprochen verfügbar. Filmausschnitte lassen sich mit Dokumenten zu ihrer Entstehung abgleichen, Werkfotos illustrieren dazu die Dreharbeiten. So entsteht ein multimedialer Parcours durch das professionelle und private Leben, der Klischees bestärken und brechen kann. Er zeichnet nicht nur das Bild und Werk einer einzelnen Person nach, sondern macht Zeitgeschichte erlebbar. Von persönlichen (Nach-)Kriegserfahrungen bis hin zu Begegnungen mit Politikern, Künstlern und dem internationalen Jetset des 20. Jahrhunderts.

Dank

Der im August 2003 verstorbenen Margie Jürgens ist es zu verdanken, dass der Nachlass in die konservatorische Obhut des Deutschen Filmmuseums / Deutschen Filminstituts kam, und in zwei großen Ausstellungen präsentiert werden konnte, die vom 7. 6. bis 10. 9. 2000 im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main und im Anschluss vom 18.5. bis 22.9. 2001 im Österreichischen Theatermuseum in Wien stattfanden. Die Entscheidung der Witwe, eben nicht, wie ursprünglich von Curd Jürgens gewünscht, die tausenden beschriebener und bedruckter Seiten im leeren Swimmingpool des Anwesens im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence zu verbrennen, ermöglicht es, diese Dokumente der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Maßgeblich daran beteiligt, dass die Unterlagen nach Frankfurt am Main kamen, war Herr Rechtsanwalt Gunter Fette. Ihm sei an dieser Stelle ganz besonders gedankt. Er hat mit seiner juristischen Kompetenz und seinem freundschaftlichen Rat die Arbeit vorangebracht.

Die Ausstellung begleitete der Katalog „Curd Jürgens“ (Kinematograph 14, 2000/2007), dessen Texte – neu bearbeitet – die Grundlage für die Themen der virtuellen Ausstellung des Nachlasses bilden. Die Beiträge von Filmwissenschaftlern und Filmpublizisten analysieren und reflektieren den Film- und Theaterschauspieler Curd Jürgens, seine Leinwand- und Medien-Persona. Ergänzt werden diese wissenschaftlichen Beiträge durch persönliche Erinnerungen von Freunden, Geschäftspartnern, Kollegen und Kolleginnen, die den Menschen Curd Jürgens beschreiben. Ihnen sei auch herzlich gedankt!

Die Umsetzung eines Projekts dieser Größenordnung wäre nicht möglich gewesen, ohne tatkräftige Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen am Haus. Allen voran den vielen Helferinnen und Helfern im Sammlungs- und Nachlassarchiv des DIF, die den persönlichen Nachlass Curd Jürgens‘ neu für diese Veröffentlichung digitalisiert haben: Mario Ahlheim, Pirmin Balk, Sina Brückner, Joëlle Kost, Leonie Lindstedt, Bastian Michel, Kira Rutsch, Daniel Siegel, Sabrina Theobald. Jürgen Kindlmann und sein Team des Web-Designs und der -Programmierung, Phillip Harder und Christian Heß. Martin Stieber aus dem Plakatarchiv des DIF sei gedankt für Plakate- und –bereitstellung. Eleonore Emsbach sei an dieser Stelle für Ihre Ersterschließung der Materialien im Jahre 1998 gedankt.

Miriam Duncan, die Tochter von Margie Jürgens, unterstützte bereits die Neuauflage des Ausstellungskatalogs. Auch die virtuelle Ausstellung des Nachlasses Curd Jürgens’ wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Hierfür bedanken wir uns sehr herzlich!

Hans-Peter Reichmann, Isabelle Bastian

Editorische Notizen

Alle Fotos, Zitate aus Curd Jürgens‘ Film- und Fernsehauftritten und Abbildungen von Dokumenten wurden mit einem Wasserzeichen versehen. Dieses verweist auf die Quelle Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main / Nachlass Curd Jürgens. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Materialien urheberrechtlich geschützt sind und eine Verwendung durch Dritte derer Zustimmung bedarf. Das Deutsche Filminstitut ist bei Ermittlung der jeweiligen Urheber gerne behilflich.

Bei den Zitaten aus Curd Jürgens‘ Film- und Fernsehauftritten kann es aufgrund der unterschiedlichen Qualität des audio-visuellen Materials zu Qualitätsunterschieden kommen. Wo die Qualität des Materials nicht den heutigen, hohen Standards entspricht, wurde aufgrund der Seltenheit und der Aussagekraft des Materials entschieden, es in dieser Form zu zeigen. Wir bitten dies zur Kenntnis zu nehmen. Wo immer es möglich war, wird selbstverständlich die Präsentation in bestmöglicher Qualität angestrebt.

Schreibweise

– von Werktiteln:

Film- und Fernsehfilme sind in Versalien geschrieben, ergänzt durch die Nennung ihrer Erstaufführung /-ausstrahlung in runden Klammern.

Alle weiteren Werktitel (TV-Sendungen, Bühnenstücke etc.) sind in Anführungszeichen gesetzt.

Bildunterschriften:

In der Bildunterschrift werden die abgebildeten Personen benannt, soweit sie bekannt und klar erkennbar sind. Die Nennung erfolgt in der Regel von links nach rechts und von oben nach unten. Bislang nicht-identifizierte Personen werden ggf. mit „N.N.“ benannt.

Die Fotos im Nachlass Curd Jürgens wurden ihm von Agenturen, den Fotografen selbst und / oder Filmproduktions- und Verleihfirmen zur Verfügung gestellt. Sie dokumentieren sowohl seine Karriere, seine gesellschaftlichen Auftritte sowie sein Privatleben.

Da es sich um eine private Fotosammlung handelt, war es nicht immer möglich, die Provenienz bzw. den entsprechenden Urheber ausfindig zu machen. Dort wo dies möglich war sind die Fotografen genannt. Wir bitten in Fällen der Nichtnennung um Kontaktaufnahme über unser Formular.

Taxonomie und Typologie:

Der Nachlass ist in 5 Bereiche der künstlerischen Tätigkeiten bzw. Komplexe seiner Privat- und Medienpersona unterteilt: Film, Theater, Fernsehen, Literatur, Phono, Öffentlichkeit allgemein, Privat

 

In diese Bereiche werden die Materialien des Nachlasses weiter unterteilt.

Folgende Hinweise dazu:

Rollenporträts sind inszenierte Porträts von einer oder mehreren Figuren aus dem Film / dem Bühnenstück. Im Unterschied zum Szenenfoto wird keine Handlung aus dem Film / Bühnenstück nachgestellt, häufig ist der Blick der Porträtierten in die Fotokamera gerichtet.

Szenenfotos stellen eine Szene aus dem Film / dem Bühnenstück dar und dokumentieren in der Regel die Kameraposition, Raum- und Lichtkomposition.

Werkfotos / Arbeitsfotos sind produktionsbegleitende Fotos. Sie dokumentieren Dreharbeiten oder Theaterproben, zeigen die verwendete Technik, Bauten, den Umgang des Regisseurs mit den Schauspielern und den Mitglieder des Film- und Fernsehstabs oder des Theaterensembles untereinander. Ein Werkfoto kann in seltenen Fällen auch inszeniert sein.

Was ist mit all den anderen Fotos zu gesellschaftlichen Auftritten, Afotos der Häuser — meinst nicht, dass wir auf diese in einem Satz verweisen sollten?!

 

Digitalisierung und Bildbearbeitung

Auf Korrekturen von Farb- und Tonwerten, Kontrasten sowie sonstige Retuschemaßnahmen wurde weitestgehend verzichtet; in Einzelfällen, wenn es der Lesbarkeit etwa von Dokumenten wie Typoskripten, die durch die Lagerung entsprechend verblasst waren, zweckdienlich war, wurden diese Maßnahmen so behutsam wie möglich durchgeführt. Entsprechend können einige der Bilder und Dokumente farbstichig oder blass wirken.

Transkripte

Auf Korrekturen von (alter) Rechtschreibung, Grammatik und Satzbau wurde verzichtet. Es wurde wortwörtlich transkribiert. Bei einigen Rechtschreibfehlern, die die Lesbarkeit und somit das Verständnis erschweren, wurde das Wort oder der einzelne Buchstabe in seiner, nach der vom Duden empfohlenen Rechtschreibung in eckigen Klammern angefügt.

Bei der Vertonung der Transkripte wurden in einigen, wenigen Fällen Korrekturen an Satzbau und Grammatik vorgenommen, die andernfalls das Verständnis erschwert hätten.