Die 1930er Jahre
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In TANGO NOTTURNO (1937, R: Fritz Kirchhoff), von früheren Filmografen oft übersehen, geht sein schauspielerischer Einsatz in zwei Szenen kaum mehr über den eines Statisten hinaus. In den Hauptrollen spielten Albrecht Schoenhals und Pola Negri.
Nicht viel mehr wäre zu seinem Beitrag in DAS MÄDCHEN VON GESTERN NACHT (1938, R: Peter Paul Brauer) zu sagen, in dem er, ohne sonstige hervorstechende Merkmale als diejenigen seiner Erscheinung, einen der Attaché-Anwärter im englischen Außenministerium mimt. Immerhin bringt ihm seine Präsenz schon 1.200,- Reichsmark ein. Abgesehen davon muss das Drehen dieses heiteren Films mit seinen witzigen Dialogen und den versierten und charmanten Hauptdarstellern beiderlei Geschlechts für die Nebenbeschäftigten im Atelier ein lehrreiches Vergnügen gewesen sein. Die Berliner Premiere fand am 14. April 1938 im Gloria-Palast statt. Doch außer einem, einer damaligen Filmzeitschrift entnommenen Gruppenfoto, auf dem Curd Jürgens angeschnitten zu erkennen ist, waren keine weiteren Dokumente zu finden.[i]
In dem Zarah Leander-Film ZU NEUEN UFERN (R: Detlef Sierck), der im August 1937 natürlich auch im Ufa-Palast am Zoo seine Premiere erlebte, war Curd Jürgens die kleine Sprechrolle eines Dandys der Londoner Gesellschaft um die Mitte des 19. Jahrhunderts anvertraut worden. Wenn er sich sonst auch nicht sehr eingehend über die Filme, in denen er bis zum Kriegsende mitwirkte, in seinen Erinnerungen auslässt, macht er hier eine Ausnahme. Er gesteht freimütig, dass er die Szene beim Tanzen mit der Chanson-Sängerin Gloria Vane, dargestellt und gesungen von Zarah Leander, mehrmals verpatzt habe. Er verstand Dialogstellen in erotischer Erwartungshaltung falsch, was zu einer für ihn wenig schmeichelhaften Bemerkung der Leander in Gegenwart des Aufnahmeteams führte. Erstaunlicherweise kann man die erwähnte Szene gar nicht mehr in dem Film entdecken. Sie muss wohl damals schon beim Schnitt, und dies sicher nicht zufällig, herausgefallen sein.
Mit Maria Niklisch in SALONWAGEN E 417 (1939; R: P. Verhoeven)
Mit Maria Niklisch in SALONWAGEN E 417 (1939; R: P. Verhoeven)
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Obwohl weder in den Programmen noch im Vorspann erwähnt, handelt es sich bei STIMME DES HERZENS (1942) um die etwa in die Zeit zwischen 1906 und 1910 transponierte Erzählung „Francesca da Rimini“ des damals viel gelesenen und auf die Bühne gebrachten Schriftstellers Ernst von Wildenbruch aus dem Jahr 1901. Die Geschichte ist hier in einer nicht genannten Hansestadt angesiedelt. Kaum in den Rollenverzeichnissen berücksichtigt, gab Curd Jürgens diese Verpflichtung einmal mehr Gelegenheit, mit großen Kollegen wie Marianne Hoppe, Carl Kuhlmann und Eugen Klöpfer unter der feinfühligen Regie Johannes Meyers im Atelier zu stehen. Der Film hatte im Capitol am Zoo im Oktober 1942 Uraufführung, und er lief 23 Tage.
Bei WEN DIE GÖTTER LIEBEN (1942), dem Mozart-Film, darf Curd Jürgens wieder seine blendende Erscheinung, gepaart mit menschlicher Wärme, als Kaiser Joseph II. in barocker Umgebung zur Geltung bringen. Dialog-Szenen wie diejenige mit seinem Kammerdiener Strack (Paul Hörbiger) und die mit Mozart (Hans Holt) sind atmosphärisch und darstellerisch gelungen. Der Film entstand im Jahr 1942 unter der vortrefflichen Regie von Karl Hartl. Er wurde am 21. Januar 1943 stilgerecht im Gloria-Palast am oberen Kurfürstendamm uraufgeführt und hatte eine Laufzeit von 33 Tagen.
Dem endgültigen Titel EIN GLÜCKLICHER MENSCH (1943) waren in der Projektphase noch solche wie „Schule des Lebens“ oder „Der tolle Professor“ vorausgegangen. Auch war ursprünglich die Rolle des Professors für Emil Jannings vorgesehen. Aus persönlicher Kenntnis dieser Verfilmung von Paul Verhoeven darf man jedoch der Ansicht sein, dass Ewald Balser die bessere Besetzung war, wahrscheinlich sogar passender gegenüber den beiden vorausgegangenen Verfilmungen 1935 in Schweden und 1946 in Dänemark. Der Stoff geht auf das Bühnenstück „Swedenhielms“ von Hjalmar Bergman aus dem Jahr 1925 zurück, das erst 1940 in deutscher Übersetzung unter dem Titel Der Nobelpreis herauskam. Curd Jürgens’ Rolle als Journalist Petersen und potenzieller Schwiegersohn des Professors hat zahlreiche Dialogszenen mit gewinnender Präsenz, die immerhin schon mit 5.000,- Reichsmark einschließlich Probenvergütung honoriert wurden. Dieser im Ufa-Palast am Zoo Mitte Oktober 1943 uraufgeführte Film lief dort 26 Tage.
Mit dem Film EINE KLEINE SOMMERMELODIE (1944) bekam Jürgens an der Seite der schon erfolgreichen, hübschen jungen Blondine Irene von Meyendorff eine Hauptrolle unter der Regie des Schauspielers und Spielleiters Volker von Collande. Sie hätte unter normalen zeitgeschichtlichen Bedingungen – es war ja Krieg – bestimmt dazu geführt, ihn bei der Tobis als Star aufzubauen, wie man eigentlich schon nach FAMILIENPARADE hätte vermuten dürfen. Als auf Kurzurlaub befindlicher Soldat, im Zivilleben Komponist, wird ihm die Möglichkeit zu einer Plattenaufnahme im „Haus des Rundfunks“ in Berlin gegeben. Er lernt eine junge Telefonistin kennen und lieben, verbringt mit ihr auf einem Segelboot ein Wochenende auf der Havel. Sie verlieren sich wieder, weil er zurück an die Front muss, ohne mehr voneinander zu wissen als die Vornamen. Erst nach Jahren, sie ist inzwischen als Nachrichtenhelferin im Einsatz und er im Lazarett, finden sie durch eine musikalische Feldpost-Rundfunksendung mit dem von ihm in Erinnerung an das gemeinsam verbrachte Wochenende komponierten Lied „Eva-Maria“ wieder zusammen und zum Happy End. Der Film war am 17. April 1944 von der Zensur freigegeben worden, und ein Werbe- und Presseheft lag bereits fertig vor – kurioserweise wird darin noch auf das „neue Filmgesicht Curd Jürgens“ hingewiesen, obwohl dieser schon in einem Dutzend Filmen zu sehen gewesen war.
Dennoch erlebte der Film nie eine Uraufführung, geschweige denn einen Verleih-Einsatz. Der Grund war, wie offizielle Stellen natürlich nicht ausdrücklich verlauten ließen, dass die historischen und militärisch-geografischen Bezüge der Handlung zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Films nicht mehr mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen waren und vom Publikum nicht ohne Kritik angenommen worden wären. Abgesehen davon sind erstaunlicherweise derartig viele Unwahrscheinlichkeiten, ja sogar Unmöglichkeiten in Form und Inhalt enthalten, die den damaligen Autoren kein gutes Zeugnis ausstellen. Aber Curd Jürgens ist es somit erspart geblieben, in dieser Zeit als Unteroffizier in einer Wehrmachtsuniform vor Publikum erscheinen zu müssen.
Die Betrachtungen zu Curd Jürgens’ Werkverzeichnis seiner ersten zehn Filmkarriere-Jahre möchte ich abschließen, obwohl nachweislich noch Titel, darunter ein Kurzspielfilm, fehlen, die später wahrscheinlich noch einmal Gegenstand von vielleicht interessanten Ergänzungen sein werden. Jedenfalls darf als erwiesen angesehen werden, dass die Filmkarriere von Curd Jürgens mit mehr als einem Dutzend Filmen bereits vor 1945 machtvoll begonnen hatte.
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Anmerkungen:
[i] Vgl. Curd Jürgens: … und kein bißchen weise. Autobiographischer Roman. Locarno 1976, S. 177-179.